60 Hände für eine saubere Emme

9. Juni 2021

Eine Aufräumaktion, die es in sich hat: Skurrile Funde und jede Menge Schrott. Wie unsere Gewässer aussehen und wie viel Plastik wir pro Woche „essen“, erzählt Transianer Cyril nachfolgend in seinem Bericht zur Flussputzete.

Fotos: Jessica Bischof

Marketing, Zürich
Findet man immer in Wassernähe
Es ist noch richtig kalt an diesem Samstagmorgen in Burgdorf. Die Bise zieht um die Ohren und für einen kurzen Moment zweifle ich daran, mich warm genug für die Uferlandschaft der Emme gekleidet zu haben.

Mit mir haben sich 30 Gleichgesinnte versammelt, engagiert einen kleinen Abschnitt der 65'000 Kilometer Fliessgewässer, welche die Schweiz wie ein Netz aus blauen Adern durchziehen, von Abfall zu befreien.

Mit dabei sind Experten der Summit Foundation und von Aqua Viva. Zwischen dem bernischen Kirchberg und Halse-Rüegsau erzählen sie uns mehr über die Abfallproblematik und den Lebensraum Wasser und unseren Einfluss. Nach einer Tasse Kaffee fassen wir Säcke, Greifzangen und Handschuhe und ziehen los.

Von wegen Nadel im Heuhaufen

Mit Blick auf den Boden durchkämmen wir den Uferbereich und den angrenzenden Wald. Nach kurzer Zeit gewöhnt sich das Auge an die Suche und das Marschtempo nimmt merklich ab, denn Abfälle und Schwemmgut sind überall. Auf dem Boden, zwischen Steinen, Laub und sogar in Büschen und Bäumen, wo sie vom Hochwasser hingetragen wurden.

Nach nur 500 Metern entschliessen wir uns ein erstes Zwischendepot anzulegen. Mit einem erfreuten und zugleich beängstigenden Gefühl blicken wir in unsere Abfallsäcke. Dort finden sich ein durchgerosteter Metallzuber, ein Longdrink-Glas, eine Sonnenbrille, Petflaschen und Dosen, vor allem aber haufenweise Plastik in allen Grössen und Formen.

Schwer verdauliche Kost


Wir sind in den Oberburger Schachen angekommen, ein Auengebiet von nationaler Bedeutung und Lebensraum für über 1100 dokumentierten Arten. Steile künstliche Ufer sind mittlerweile Kiesbänken gewichen. In der Flussmitte hat die Strömung eine Insel geformt und umgestürzte Bäume ragen ins Wasser. Bachstelzen jagen schlüpfenden Stein- und Eintagesfliegen nach. Idyllisch. Wir beissen in unsere Sandwiches und folgen den Ausführungen von Christian Hossli (Aqua Viva) und Olivier Kressmann (Summit Foundation).

So dienen zum Beispiel die Verbauungen in der Emme der Befestigung der Flusssohle, was aufgrund der Begradigung erforderlich ist. In Schweizer Fliessgewässern befinden sich rund 100'000 solcher künstlichen Hindernisse, umgerechnet also alle 650 Meter.

Die Verschmutzung der Ozeane beginne mitunter hier vor unserer Haustüre: Viele Plastikteile werden von der Strömung weggetragen und enden als Mikroplastik im Meer. Dieser landet zuletzt wieder bei uns: Über unser Trinkwasser und unsere Nahrungskette – vom Wasserfloh, zum Fisch zu uns. Gemäss einer australischen Studie1 «verspeist» ein Mensch im weltweiten Schnitt eine Kreditkarte pro Woche, also ungefähr fünf Gramm Mikroplastik. Das sitzt. Ä Guete.

Die Ausbeute

Weiter geht es und wir müssen uns sputen. Kurz vor Schluss gehen wir fast auf allen vieren. Nicht weil wir müde sind, sondern weil so viele Zigarettenstummel auf dem Waldweg liegen. Gemäss einer Studie2 verunreinigt eine Kippe bis zu 60 Liter sauberes Grundwasser.

Am Ziel angekommen wird jeder Sack gewogen und das Gesammelte sortiert. Unsere «Catches of the Day» sind ein moosbewachsener Turnschuh, eine Gartenschaufel sowie ein Fussball, der an diesem Tag noch einen neuen Besitzer findet. 

Metall macht fast die Hälfte des Gewichts aus und mit Ausnahme von wenigen gefundenen Sachen aus Glas und Textil geht der ganze Rest volumenmässig auf das Konto von Plastik in allen Formen. Insgesamt haben die Freiwilligen in drei Gruppen 400 Kilo Abfall auf gerade einmal neun Kilometern der Emme gesammelt. Ich kann in Anbetracht dieser Ausmasse und der gehörten Informationen eine gewisse Ohnmacht nicht leugnen. 

Was bleibt?

Gemeinsam lassen wir die Flussputzete bei einem Bierchen und angeregten Gesprächen ausklingen. Ich bin müde und es wird mir wieder ein wenig kalt. Einerseits zufrieden und gleichermassen betrübt stelle ich mir die Frage, wie können wir ein so grosses und weitreichendes Problem lösen? 

Umso schöner ist es, zu spüren und hören, dass die engagierten Flussputzerinnen und Flussputzer mehr mitgenommen haben als nur den gesammelten Abfall: Ein Verständnis für Zusammenhänge sowie offene Augen und Ohren für die Umwelt, die uns umgibt. Und sie werden dies hoffentlich an andere weitergeben, denn was wir schätzen, werden wir schützen.

Herzlichen Dank alle Helfenden, gross und klein, der Summit Foundation und Aqua Viva für das fleissige Anpacken in gemeinsamer Mission.

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