Ein Yak, im Hintergrund Eis und Berge

Reisen

Im Basislager des Mount Everest - drei Wochen im Bergrausch

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Swinde
Verkaufsberaterin, Filiale Zürich Europaallee
© Fotos

Jedes Jahr trekken Tausende zum höchsten Berg der Erde. Verkaufsberaterin Swinde verbrachte für ihre Foto­reportage drei Wochen im Basislager des Mount Everest. Hier gibt sie einen Einblick in das Leben am Berg.

Draussen hämmert, klopft und lärmt es wie auf einer Grossbaustelle. Es ist früh in der Saison. Aufenthaltszelte, auch «Doms» genannt, Schlafzelte, Küchenzelte, Kommunikationszelte und Toilettenzelte werden von den Sherpas aufgebaut. Sie schuften, was das Zeug hält. Mit Pickel und Hacke, Spaten und Schaufel schlagen sie das Eis auf.

Mein zwei mal zwei Meter grosses Zelt steht ganz am Ende des anderthalb Kilometer langen Everest-Basislagers. Direkt am Tor zum Khumbu-Eisfall. Auf 5’364 Meter Höhe in einer kahlen Hochgebirgswelt, wo Stein, Schnee und Wind alles sind. In dieser Höhe steht uns Menschen nur mehr die Hälfte des gewohnten Sauerstoffpartialdrucks zur Verfügung. Der Körper braucht selbst in Ruhe doppelt so viele Atemzüge wie auf Meereshöhe.

Ich steige zum Pumori Viewpoint auf. Von hier oben sieht das Basislager wie eine Kleinstadt aus bunten Legosteinen aus. Mir kommt als Vergleich eine Goldgrube in den Sinn: Schwerstarbeit. Alles für ein Klümpchen Gold. Alles für den Gipfel des höchsten Berges der Welt. Doch hier am Everest muss das Gold nicht gesucht werden – es kommt von ganz allein. In bunten Trekkingkleidern. Hustend. Unter Kopfschmerzen. Das Gold, das sind die Bergsteiger und Bergsteigerinnen. Menschen aus aller Herren Länder, mit unterschiedlichen Berufs- und Familienständen.

Ausrüstung für das Trekking

Sie alle haben nur ein Ziel: Die Nepalesen nennen sie Sagarmatha, Göttin des Himmels. Die Tibeter nennen sie Chomolungma, Göttin Mutter der Erde. Die westliche Welt kennt ihn unter dem Namen Mount Everest (8’848 m.ü.M.).

Belagerter Berg

Für die Nepalesen in der Provinz Khumbu sind die Bergsteiger:innen schlicht die wichtigste Verdienstquelle. Jedes Jahr errichten sie hier oben diese Pop-up-Stadt: Ende April, Anfang Mai, wenn die Wetterbedingungen für einen Gipfelsturm am besten sind, harren rund 2’000 Menschen hier in dieser Schotterwüste aus – Sherpas, Küchenpersonal, Träger, Bergsteiger:innen. Sie belagern den Berg, warten auf gutes Wetter.

Am Abend ertönt plötzlich laute Musik. Der nepalesische Neujahrstag wird gefeiert. Das Jahr 2075 wird begrüsst. In einem der Doms wird es proppenvoll. Bunte Lämpchen blinken an den Fenstern aus Plastikplane. Es gibt einen Neujahrskuchen. Bier, Cola, Sprite, wer will, kann auch Selbstgebrautes haben. Es wird getanzt, wie man sich das in einigen Diskotheken wohl wünschen würde. Ausgelassen. Dicht an dicht. Nach Sauerstoff japsend, in Daunenkleidung. Mit dabei: zahlreiche Handys, Kameras und Go-Pros. Die Party wird per Instagram live in die Welt übertragen.

  • Aufnahme nachts: Basislager Everest
    Foto © Swinde Wiederhold
  • Aufnahme des Everest Basecamps aus der Luft.
    Foto © Swinde Wiederhold
  • Personen im Basislager des Mount Everest in einem grossen Zelt.
    Foto © Swinde Wiederhold
  • Aufnahme im Everest Basislager aus dem Innern eines grossen Zelts nach draussen.
    Foto © Swinde Wiederhold

Der nächste Abend, 21:35 Uhr: Draussen klimpern Karabiner und Steigeisen. Kaum Worte, jeder atmet für sich. Schweigend werden kleine Pakete mit Keksen, heissem Tee und Klopapierblättern verteilt. Jeder Sherpa bekommt ein Funkgerät. Ein rauchender Altar aus Geröllstein wird dreimal umrundet. Das heilige Feuer, eine letzte Bitte an den Berg, gnädig zu sein. Dann ziehen die Eisfall-Doktoren los, um Wege zu präparieren. Wenig später sieht man im Khumbu-Gletscher eine Kette aus Lichtern, wie eine leuchtende Ameisenstrasse.

Überhitzt?

Elektrisches Licht, Teppiche, Heizstrahler, Duschen, Hifi-Anlagen, Wi-Fi, Kino – Stromausfälle sind im Basislager inzwischen selten. Gekocht wird für jede Nationalität verschieden. Kaffeevollautomaten der gehobenen Klasse für den feinen Gaumen und bunte Plastikblumen fürs Auge. Das Basislager bietet mehr Komfort als die meisten Hotels in Kathmandu. Die immer bessere Infrastruktur führt zu immer besseren Besteigungsquoten. 673 Menschen, unter ihnen 60 Frauen, waren im Frühjahr 2022 auf dem Gipfel. Sieben davon ohne zusätzlichen Sauerstoff. Zwischen 40’000 und 120’000 US- Dollar müssen die Everest-Aspirant:innen für ihren Traum bezahlen. Dafür dürfen sie sich in ihrem eigenen Grenzbereich erleben.

Während der Komfort im Basislager steigt, nehmen jedoch die Risiken zu: Der Khumbu-Gletscher schmilzt. Das Mount-Everest-Basislager schmilzt. Es muss umziehen. Bis 2024 soll das Basislager 200 bis 400 Meter tiefer aufgebaut werden. Dort, wo es kein ganzjähriges Eis gibt. 4’000 Liter Urin fallen hier pro Tag an. Kerosin und Gas in rauen Mengen zum Kochen und Heizen. Dem Everest wird es zu warm.

Trekkingrucksäcke

Für Nepal steht mehr als nur das Basislager auf dem Spiel. 2019 brachte der Tourismus mehr als zwei Milliarden US-Dollar nach Nepal, in eine der ärmsten Nationen Asiens, und beschäftigte eine Million Menschen, vom Träger bis zum Piloten. Die COVID-19-Pandemie brachte all das zu Fall. Mindestens 800’000 Beschäftigte in der Tourismusbranche verloren ihren Arbeitsplatz.

Meine Zeit ist um. Leise drehe ich dem Basislager den Rücken zu. In wenigen Wochen wird dieser Ort wieder menschenleer sein. Denn dann folgt der Monsun. Der Regen spült die Menschen fort. Und die Berge gehören wieder den Göttern. Bis zum nächsten Frühling, denn nirgends kommt man heute leichter auf einen Achttausender als hier, am Everest.

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