Bündner Haute Route

26. Februar 2020

Einsame Gipfel, urchige Hütten, unverspurter Pulverschnee – eine Skidurchquerung ist die Königsdisziplin für jeden Tourengeher. Vier Tage auf der Bündner Haute Route mit der Bergschule Höhenfieber.

Fotos: Ruedi Thomi

Marketing, Office Zürich
Mag einsame Aufstiege und lange Abfahrten
Bergführer Paul kennt kein Erbarmen: «Morgen Mittag zieht ein Sturm durch, wir müssen also schauen, dass wir bis dahin auf der Hütte sind. Wecken um 4:50 Uhr, um Viertel vor sechs laufen wir los.» Es ist der erste Abend unserer viertägigen Skitour durchs Engadin mit der Bergschule Höhenfieber. Am Vor­mittag waren wir – sieben Transa Mitarbeitende, ein 4-Seasons-Redaktor und Paul, unser Bergführer – entspannt mit dem Lift von Zuoz zum Pizzet auf 2465 Metern geschwebt.
Den mächtigen Piz Kesch zu unserer Linken ging es von hier aus eigener Kraft hinaus aus dem Trubel des Skigebiets und hinein in die einsame Bergwelt Graubündens. Bei strahlendem Sonnenschein hatten wir rasch den ersten Gipfel der Tour erreicht. Das Panorama des 2821 Meter hohen Piz Belvair gab uns einen ersten Vorgeschmack auf das, was uns in den nächsten Tagen erwarten würde: ein tief verschneites Winterwunderland und beieindruckende Gipfel, so weit das Auge reicht.
Trotz der atemberaubenden Ausblicke – allzu lang wollte sich keiner am Gipfel aufhalten, zu gross war die Vorfreude auf die ersten Schwünge im unverspurten Schnee. Im Wechsel zwischen Pulver und von der Sonne aufgesulztem Firn wedelten wir – mal mehr, mal weniger elegant – hinab zur rustikalen Chamanna d’Es-cha. Gerade als Hüttenwart Michael Käse, Trockenfleisch und Weiss­wein serviert, grätscht Paul mit seinem Zeitplan für den nächsten Tag dazwischen. Die Rollen im «Good cop, bad cop»-Spiel sind hier ganz klar verteilt ...
Spass beiseite – natürlich hat die Sicherheit bei jeder Tour in den Bergen oberste Priorität. Auch wenn bei uns nicht die steilsten Couloirs und schwersten Gipfel auf dem Programm stehen, bewegen wir uns doch in hochalpinem Gelände. Lange nicht jeder aus unserer Gruppe würde die Bündner Haute Route ohne Bergführer wagen – bei Paul fühlen wir uns aber vom ersten Moment an gut aufgehoben. Uns ist klar, dass das Wetter jederzeit umschlagen kann und ein gutes Zeitmanagement ein wesentlicher Bestandteil der Tourenplanung ist. Also kriechen wir nach dem Z’Nacht ohne zu murren um halb neun ins Lager.

Der frühe Vogel fängt den Wurm

Ohnehin – hätten wir gewusst, was der nächste Tag an Spektakel für uns bereithalten würde, wären wir wahrscheinlich freiwillig noch eine halbe Stunde früher aus den Federn gekrochen. Im Schein unserer Stirnlampen montieren wir die Klettergurte und ziehen die Steigfelle auf die Ski. Der frühe Aufbruch im Dunkeln schafft eine ganz besondere Atmosphäre – Abenteuer liegt in der Luft. In den ersten Stunden des Aufstiegs wird kaum ein Wort gesprochen. Es geht erst mässig, dann immer steiler bergan. Schon jetzt weht uns der Wind immer stärker um die Nase. Die Sturm­kapuzen tief ins Gesicht gezogen, setzen wir stumm einen Schritt vor den anderen.

Und dann, als wir einen kleinen Rücken unterhalb der Porta d’Es-cha erreichen – geht plötzlich die Sonne auf. Die ersten Strahlen tauchen die gesamte Szenerie in ein majestätisches Licht – jede Müdigkeit ist wie weggeblasen. Tinu, Hartwaren-Einkäufer bei Transa und ein mit allen Wassern gewaschener Skitourengeher, wird später sagen: «Dieser magische Sonnenaufgang bei dem aufziehenden Sturm war mein absolutes Highlight, das werde ich so schnell nicht vergessen!»

Frische Luft macht hungrig

Paul schlägt mit seinem Pickel Stufen in die hartgefrorenen letzten Spitzkehren unterhalb der Scharte. Die Porta selbst ist gut ein­geschneit, das Stahlseil liegt aber zum Glück frei. So können wir – Steigeisen an den Stiefeln, die Ski am Rucksack und den Eispickel in der Hand – sicher diese Schlüsselstelle passieren. Oben angekommen, schiesst uns der immer heftiger tobende Sturm kleine Eiskristalle ins Gesicht, trotzdem klatschen wir uns gut gelaunt ab. Es ist gerade mal neun Uhr am Morgen – die frühe Stunde verspricht feinsten Pulverschnee hinunter über den Porchabella-Gletscher. Und natürlich darf auch ein echter Gipfel an diesem Tag nicht fehlen.

Nach der rassigen Abfahrt von der Porta d’Es-cha fellen wir im Schatten des Piz Kesch erneut auf, um dessen kleinem Bruder, dem Kesch Pitschen, aufs Dach zu steigen. Wie um uns einen Gefallen zu tun, bläst der Wind am 2990 Meter hohen Gipfel nicht gar so stark und lässt uns Zeit, das Panorama zu geniessen. Eine flotte und pulvrige Abfahrt bringt uns rechtzeitig zur Keschhütte, bevor der Sturm wieder richtig Fahrt aufnimmt. Wir nutzen die Bedingungen für ein Update in Sachen Lawinenkunde. Erst theoretisch in der warmen Stube, dann praktisch draussen im Sturm. Zur Belohnung gönnen wir uns Bündner Nusstorte und endlich erfahren wir auch, warum Zoli so einen riesigen Rucksack mitschleppt: Wurst, Käse und ein stattliches Früchtebrot landen auf dem Tisch. Dabei gibt es doch gleich Abendessen...

Geteilte Freude ist doppelte Freude

1000 Höhenmeter stehen am dritten Tag auf dem Programm. Doch zuerst geht es flach hinab durch das menschenleere Val Funtauna. Einzig ein paar Gämsen beobachten uns, als wir im Auslauf einiger Gleitschneelawinen auffellen, um den langen Anstieg aufs Scalettahorn (3068 m) in Angriff zu nehmen. Paul hat ein gutes Gespür für die Gruppe und gibt ein Tempo vor, bei dem genügend Luft bleibt, um die atemberaubende Natur und die Abgeschiedenheit zu geniessen. Nach einer kurzen, aber knackigen Abfahrt geht es am Fusse des schroffen Piz Grialetsch hinauf zur Fuorcla Vallorgia. 500 Tiefenmeter Pulverschnee liegen zwischen uns und der Grialetschhütte. Längst ist aus unserer bunten Truppe ein eingeschworenes Team geworden. No friends on powder days? Von wegen! Nebeneinander ziehen wir unsere Schwünge in den unberührten Hang, wechseln die Positionen und können uns auch den ein oder anderen Powder-Juchzer nicht verkneifen.

Hatten wir die Keschhütte am Tag zuvor noch für uns allein, ist die Chamanna da Grialetsch gut gefüllt. Hanspeter, der Hüttenwirt, hat alle Hände voll zu tun, die hungrigen Mäuler seiner Gäste zu stopfen. Kurzerhand hilft Transa Einkäuferin Martina beim Spülen – als Dank gibts einen Schnaps aufs Haus.

Im weissen Rausch

700 Meter Aufstieg, 1750 Meter Abfahrt, drei Stunden Gehzeit ohne Pausen. Bei diesen Eckdaten des letzten Tourentags springt das Freeriderherz vor Vorfreude. In der steilen und hartgefrorenen Westflanke des Piz Sarsura kommen ein letztes Mal Pickel und Steigeisen zum Einsatz, kurz darauf haben wir den 3132 Meter hohen Wintergipfel und damit den höchsten Punkt unserer Haute Route erreicht. Zu unseren Füssen liegen der Gletscher und das tief eingeschneite Val Sarsura. Das immer kupierter werdende Geländ­e lädt zum Spielen ein. Kurze Schwünge, lange Schwünge, kleine Sprünge – wie im Rausch nehmen wir die nicht enden wollenden Tiefenmeter unter die Bretter. Was für ein Finale! «Na, hab ich euch zu viel versprochen?», fragt Paul, als wir an der Hauptstrasse 27 bei Crastatscha aus der Bindung steigen. Rahel lacht: «Nein, aber nach der kurzen ersten Nacht hattest du auch was gutzumachen!»

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