Gravelbike: Tausendundein Höhenmeter
28. Februar 2020
Bikepacking im Atlasgebirge in Marokko – die perfekte Winterflucht? Der Fotograf Sebastian Stiphout hat es mit seinem Sohn Luca ausprobiert.
Fotos: Sebastian Stiphout
Ein Vater-Sohn-Abenteuer
Sonnenschein, karge Landschaften, leere Strassen, Abenteuer – das waren die Zutaten, nach denen mein 15-jähriger Sohn Luca und ich für unsere gemeinsame Winterreise gesucht hatten. Wir wollten weg, dem Winter entfliehen und auf zwei Rädern ein Abenteuer erleben. Ich habe grosses Glück: Meinem Sohn macht das Velofahren genauso viel Spass wie mir. Letztes Jahr haben wir zusammen zehn Tage die wilde Westküste Schottlands bereist, auch auf zwei Rädern, sehr minimalistisch unterwegs. Als Luca elf Jahre alt war, habe ich ihn ein halbes Jahr aus der Schule genommen und wir haben eine Weltreise unternommen. Zwei Rucksäcke, Kameraausrüstung und Schulbücher im Gepäck. Vor zwei Jahren haben wir angefangen, Rennvelo zu fahren und ziemlich schnell das Bikepacking für uns entdeckt. Allerdings meistens auf sogenannten Gravelbikes: Im Prinzip sind das Velos mit Rennvelolenkern, dicken Reifen und grosser Übersetzung. Das Motto dabei: möglichst minimalistisch ausgestattet – je leichter, desto schneller ist man unterwegs.Bikepacking ist die perfekte Art, ein Land zu bereisen: Man sieht sehr viel, kann gut Strecke machen und kommt sportlich auch noch voll auf seine Kosten. Und mit einem minimalistischen Setup ist man völlig autark unterwegs.
Marokkos anstrengende Seite
Nach der ersten Nacht in Marrakesch ging es endlich los: Ich hatte zwar eine grobe Route definiert, aber wir wollten flexibel bleiben, jederzeit den Plan anpassen und verändern können. Marrakesch, am Fusse des Atlasgebirges gelegen, schien mir bei der Vorbereitung der beste Ausgangspunkt für die Tour zu sein. Die Idee: von dort aus das Gebirge in südlicher Richtung zu überqueren. Über wenig befahrene Wege wollten wir einige kulturelle Highlights besuchen, Orte wie Telouet und Ait Benhaddou, früher mal wichtige Handelszentren zu Zeiten der Karawanen zwischen dem sagenumwobenen Timbuktu in Mali und der Sahara. Von dort aus wollten wir weiter Richtung Wüste, um dann auf der anderen Seite des Atlas am Rande des Gebirges nach Nordosten zu fahren und den Kreis zurück nach Marrakesch zu schliessen. Die Route würde uns über die entlegene Passstrasse, den Col du Ouano, mit 2910 Metern die höchste befahrbare Strasse über den Atlas, und durch eine mehr als beeindruckende Schlucht, den Gorge du Dades, führen.
Ein angenehmes Reiseland
Unsere Route an dem Tag war das zweite Highlight: knapp 80 Kilometer Abfahrt über kurvige verlassene Pisten. So gut wie kein Autoverkehr und dafür spektakuläre Landschaften. Nichts als rote Erde, blauer Himmel und ab und zu mittelalterlich anmutende Siedlungen, rot und beige, passend zur Landschaft.Abseits der Hauptverkehrswege sind die Strassen einsam – mal geteert, mal sandig. Zum Velofahren perfekt. Unsere Tagesetappen, meistens zwischen 70 und 130 Kilometer lang, waren genau richtig gewählt. An manchen Tagen waren die Höhenmeter eine echte Herausforderung, aber die wurden entschädigt durch andere Tage, die flacher und einfacher ausfielen. Generell ist das Reisen in Marokko sehr entspannt, mit ein paar Französisch-Kenntnissen kann man sich fast überall verständigen. Die Menschen sind sehr nett und gastfreundlich. Überraschend: Die Locals waren – obwohl wir keine anderen Velofahrer getroffen haben – nicht besonders interessiert an uns zwei Typen in engen Veloklamotten auf schräg aussehenden Drahteseln.
Das jähe Ende der Tour
Am sechsten Tag, nach knapp 500 Kilometern, erwischte es uns dann leider eiskalt: Luca hatte vermutlich etwas Schlechtes gegessen und wurde von schlimmen Magenkrämpfen geplagt. Die extreme Kälte machte uns, vor allem in den kalten Morgenstunden, zu schaffen. Die langen, harten Tage im Sattel taten ihr Übriges. Eigentlich stand an diesem Tag die zweite Überquerung des Atlasgebirges auf dem Programm. Reich an neuen Erfahrungen und glücklich über das Geleistete entschieden wir uns schweren Herzens, die Tour abzubrechen und mit einem klapperigen Taxi zurück nach zu fahren. Dort solle es hervorragende Hammams geben, hatte uns jemand vor der Tour berichtet …
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