Ausrüstungstipps fürs Biwakieren

16. Mai 2019

Ein Biwak ist mehr als eine Notfalllösung für gestrandete Outdoorer. Freiwillig und gut geplant wird das Schlafen unter freiem Himmel zum Naturerlebnis mit Suchtpotenzial. Mitarbeiterin Steffi weiss, wie die Nacht ohne Dach zum Traum wird.

Fotos: Red Gun, Jonas Jäggy, Ruedi Thomi

Verkaufsberaterin, Filiale Basel
Übernachtet am liebsten unter freiem Himmel

Steffi, was spricht dafür, freiwillig ohne Dach über dem Kopf in der Wildnis zu übernachten?
Als Erstes natürlich das unmittelbare Naturerlebnis. Zelt oder Hütte bieten zwar Schutz vor den Elementen, gleich-zeitig sperren sie diese aber auch aus. Unter freiem Himmel bekommst du die Natur ungefiltert zu spüren, das ist ein wirklich tolles Gefühl! Ausserdem bist du viel freier, was deinen Übernachtungsplatz angeht – wenn du eine schöne Stelle findest, bleibst du einfach und bereitest dein Biwak vor. Toll ist auch, dass du weniger Gewicht tragen musst, denn das Zelt bleibt ja zu Hause.

Darf ich denn einfach überall biwakieren?
Leider ist die rechtliche Lage in der Schweiz nicht einheitlich. In Nationalparks, Naturschutz- und Jagdbanngebieten ist das Biwakieren in der Regel verboten. Auf Privatgrund muss das Einverständnis des Grundstückseigentümers eingeholt werden. Ansonsten bist du über der Waldgrenze mehrheitlich frei und ein Notbiwak ist grundsätzlich erlaubt. Das Faltblatt "Campieren und Biwakieren" des SAC gibt einen guten Überblick. Die wichtigste Regel ist aber wie immer folgende: "Nimm nichts mit als deine Eindrücke, lasse nichts zurück als deine Fussspuren." 

Die Planung beginnt wahrscheinlich nicht erst unterwegs. Was gilt es zu beachten?
Wähle für dein erstes Biwak eine Schönwetterperiode ohne Gewittertendenzen – am besten im Sommer. Schau schon zu Hause auf einer möglichst detaillierten Karte (Massstab 1 : 25’000) nach geeigneten Plätzen und plane deine Tour so, dass du nicht am Abend im exponierten Gelände unterwegs ist, wo du lange nach einem Biwakplatz suchen musst.

Was brauche ich denn alles für eine Nacht unter freiem Himmel?
Mindestens mal einen Schlafsack und eine Isomatte. Wenn du mehr Komfort möchtest oder das Wetter instabil ist, solltest du zusätzlich einen Biwaksack oder ein Tarp einpacken, dazu ein Kissen, Nachtwäsche, eine Stirnlampe und natürlich Verpflegung, damit dein knurrender Magen dich nicht wach hält.

Der Reihe nach: Da ich den Elementen ungeschützt ausgesetzt bin – ein Schlafsack mit Kunstfaserfüllung macht Sinn, oder?
Kunstfaser ist zwar weniger nässeempfindlich, weil sie weniger saugfähig ist und auch in feuchtem Zustand noch wärmt. Ich bevorzuge trotzdem Daune: Ihr Verhältnis von Wärmeleistung zu Gewicht ist einfach unübertroffen, ich empfinde auch das Schlafklima als angenehmer. Und mit einem leichten Biwaksack als Nässeschutz bin ich immer noch leichter und kompakter unterwegs als mit den meisten Kunstfasersäcken.

Wieso nicht gleich ein Schlafsack mit wasserdichter Aussenhülle?
Wenn du wirklich immer nur draussen schläfst, ist das eine Option. Allerdings sind diese Modelle oft recht schwer und klobig, daher ist meist ein Biwaksack oder ein Tarp die bessere Wahl. Denn die kommen nur zum Einsatz, wenn es sein muss, und fallen kaum ins Gewicht. 

Sind Biwaksäcke denn überhaupt aus­reichend atmungsaktiv? 
Das kommt ganz auf das Material an. Es gibt Modelle mit Gore-Tex oder anderen Membranen, die extrem wasserdampfdurchlässig sind und so die Schwitzfeuchtigkeit entweichen lassen, während sie trotzdem zuverlässig vor Wind und Tau­nässe schützen. Bei einfachereren und günstigen Notfallvarianten steht eher der simple Regenschutz im Vordergrund. Aber egal ob mit oder ohne Biwaksack – ich habe immer auch ein Tarp dabei, so habe ich bei jedem Wetter garantiert einen trockenen Platz zum Umziehen, Kochen und um mein Equipment zu verstauen.

Aber dann bleibt der Blick in den Sternenhimmel ja doch auf der Strecke ...
Das Tarp dient nur als Backup. Wenn das Wetter es zulässt, schlafe ich natürlich unter freiem Himmel. Aber selbst wenn du das Dach spannst: Anders als beim Zelt brauchst du keinen perfekten Untergrund und bist immer noch viel näher dran an den Elementen. Eine Gewitternacht unter dem Tarp kann ein sehr intensives, aber auch eindrückliches Erlebnis sein …

 

Steffi im Interview

In den Bergen wird es nachts auch im Sommer noch kalt. Wie sorge ich für ausreichend Isolation von unten?
Eine gute Matte ist ebenso wichtig wie der Schlafsack. Denn dessen Füllung wird dort, wo ich liege, zusammengedrückt und bietet dann kaum noch Kälteschutz. Auch bei den Matten gibt es verschiedene Temperaturkategorien, ideal fürs Biwakieren sind Modelle mit Kunstfaser- oder Daunenfüllung. Sie sind nur minimal schwerer als reine Luftmatten, bieten aber eine sehr gute Isolation auf kalten Böden. Beim Kauf solltest du auch auf ein robustes Material achten: Die leichteste Matte nützt dir nichts, wenn ihr schon eine spitze Tannennadel die Luft rauslässt. Wer auf Nummer sicher gehen will, nimmt zusätzlich eine leichte Schutzfolie als Unterlage mit. 

Worauf sollte ich bei der Kleidung achten?
Wie immer in den Bergen solltest du mindestens trockene Wechselwäsche dabei­haben. Für die erste Lage empfehle ich leichte Merinowolle: Deren Fasern sind stark gekräuselt, dadurch entstehen isolierende Luftkammern und es gibt weniger Kontaktpunkte mit der Haut und somit auch weniger Kältebrücken. Ausserdem wärmt Wolle selbst in feuchtem Zustand, sie müffelt deutlich weniger als Kunstfaser und ist am Lagerfeuer unempfindlicher gegenüber Funkenflug.  

Es ist so weit: Ich bin endlich unterwegs und langsam neigt sich der Tag dem Ende entgegen. Wie finde ich jetzt den perfekten Biwakplatz?
Das wichtigste Kriterium ist stets deine Sicherheit: Ist der Standort geschützt vor Blitzeinschlägen, Steinschlag, Lawinen oder Hochwasser? Zwar ist eine Frischwasserquelle wünschenswert (zum Kochen, Waschen etc.), aber selbst kleine Bäche können auch bei schönem Wetter durch starke Regenfälle im Einzugsgebiet plötzlich anschwellen und über die Ufer treten. Ansonsten achte auf eine windgeschützte Lage und die Exposition: Willst du dich morgens von der Sonne wecken lassen, sollte der Blick nach Osten möglichst frei sein. Halte ausserdem Abstand zu bewirtschafteten Hütten. Falls du doch in der Nähe übernachten willst, gib beim Hüttenwirt Bescheid und biete ihm einen Obolus für die Toilettenbenutzung an oder konsumiere etwas – so schonst du die Umwelt und schaffst Akzeptanz.

Muss ich beim Znacht auch minimalistisch genügsam sein?
Bist du nur eine oder zwei Nächte unterwegs, kannst du aus dem Vollen schöpfen: Eine Kürbissuppe vom Feuer oder ein Drei-Gang-Menü mit frischen Zutaten vom Gaskocher. Für längere Trips empfehle ich gefriergetrocknete Trekkingmahlzeiten, die giesst man einfach mit Wasser auf – man spart sich also den Abwasch –, und sie haben ordentlich Kalorien. 

Ein offenes Feuer in den Bergen ist also kein Problem?
Nur wenn keine Waldbrandgefahr besteht und es keine Feuerverbote gibt! Grundsätzlich solltest du nach Möglichkeit vorhandene Feuerstellen benutzen und kein riesiges Höhenfeuer entfachen, so dass im Tal die Feuerwehr ausrückt. Weil ich mit meinem Biwak nicht zu sehr auffallen möchte, verzichte ich meist ganz auf ein offenes Feuer. Lieber nehme ich meinen ultraleichten Holzvergaserkocher mit. So bin ich unabhängig von Gas oder Benzin, zum Befeuern reichen kleine Holzstücke, die ich unterwegs sammle.

Vor dem Schlafen gehts auf die Toilette. Hast du Tipps parat?

Erledige deine Notdurft abseits von Gewässern und vergrabe deine Hinterlassenschaft. Biologisch abbaubare Seif­e reinigt nicht nur den Körper, sondern auch Wäsche und Geschirr. Äusserst praktisch sind auch Mehrzweckbeutel zum Selberabknoten: Damit transportierst du leere Konserven oder schmutzige Wäsche komfortabel und geruchsdicht zurück in die Zivilisation.

Jetzt aber ab ins Bett! Einfach Schlafsack ausrollen, reinkriechen und fertig?

Besser, du gibst deinem Sack etwas Zeit, sich aufzuplustern. Erst wenn die Daunen sich nach der Komprimierung im Packbeutel maximal ausgebreitet haben, entfalten sie ihre volle Isolationsleistung. Gib ausserdem acht, dass die Penntüte nicht feucht wird: Während der Dämmerung, wenn der Temperatursprung zwischen Tag und Nacht erfolgt, bildet sich besonders viel Taunässe. Vor allem aber solltest du auf keinen Fall fröstelnd in den Sack schlüpfen, denn entgegen der landläufigen Meinung wärmt ein Schlafsack nicht, sondern isoliert nur die schon vorhandene Wärme. Also lieber noch drei Mal ums Camp joggen, wenn du eine Frostbeule bist. Und heisses Wasser macht aus deiner Feldflasche im Handumdrehen eine wärmende Bettflasche.

Wie verstaue ich über Nacht Kleidung, Schuhe und Ausrüstung?
Alles, was trocken und warm bleiben soll – also Wäsche, Socken, elektronische Geräte und eventuell die Gaskartusche –, kommt mit in den Schlafsack, der Rest wird im Rucksack verstaut. Halbschuhe kannst du auch gut als Kopfkissenersatz unter die Isomatte schieben.

 

Was mache ich, wenn es nachts doch plötzlich zu regnen anfängt?
Sind es nur ein paar Tropfen, reicht der Biwaksack, ansonsten ist das Tarp auch mitten in der Nacht mit etwas Reepschnur und den Wanderstöcken in nur wenigen Augenblicken über dem Biwakplatz auf­gespannt. In jedem Fall zahlt es sich aus, wenn du deinen Schlafplatz mit Bedacht gewählt hast: In Mulden bilden sich bei Regen schnell kleine Seen und auch die Kälte hält sich hier hartnäckig.

Wie begrüsst du nach einer Biwaknacht standesgemäss den neuen Tag?
Am liebsten mit einem frisch aufgebrühten Kaffee! Mein Espressokocher wiegt nicht viel, beschert mir aber den absoluten Genuss – da ich ja ohne Zelt unterwegs bin, bleibt im Rucksack mehr Platz für Luxus.

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