Campieren im Schnee - so klappt dein Winterbiwak

13. November 2019

Im Winter draussen zu schlafen gilt unter Outdoor-Fans als Königsdisziplin. Verkaufsberater Hansj kann davon ein Liedchen singen: Er nutzt sein Zelt in der kalten Jahreszeit als Basislager für Skitouren und biwakiert regelmässig in den Bergen. Hier sind seine Tipps.

Fotos: Ruedi Thomi

Verkaufsberater, Filiale Zürich Europaallee
sein Element: Schnee und Minusgrade
Hansj, spätestens wenn der erste Schnee fällt, werden die meisten Zelte und Schlafsäcke im Keller eingemottet. Auch bei dir?
Oh nein, für mich beginnt dann erst die schönste Jahreszeit! Wenn ich im Winter mein Zelt aufstelle, ist alles viel ruhiger und friedlicher. Und vor allem ist man fast immer alleine.

Aber mal ehrlich, warum sollte ich bei Minusgraden campieren, wenn es daheim doch so schön kuschelig warm ist?
Ich benutze mein Zelt im Winter gerne als Basislager für Skitouren. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn du auf einem schneebedeckten Gipfel bist, dein Zelt aufbaust, ein Fondue kochst und am Abend in aller Ruhe den Sternenhimmel bewunderst. Am nächsten Morgen stehe ich auf, koche Kaffee und bin garantiert der Erste auf den Brettern.

Muss man sich quälen können, wenn man im Winter im Freien schlafen möchte?
Ich finde nicht. Es kommt auf die richtige Ausrüstung an, sie ist das neben guter Vorbereitung und ein bisschen Wissen das A und O.

Das klingt nach Survival-Abenteuer ...
Nein, gar nicht! Wintercamping ist nicht kompliziert, aber mit einem Drei-Jahres-zeiten-Zelt und einem Sommerschlafsack ist Übernachten im Schnee kaum möglich. Es braucht spezielle Ausrüstung. Vor allem bei Zelt, Schlafsack und Matte sollte man keine Kompromisse eingehen. Das ist zwar relativ teuer, aber man kann gut optimieren und viele Tricks anwenden.
Also kaufe ich als Erstes einen dicken Winterschlafsack für ganz kalte Nächte?
Ganz ehrlich? So einen Schlafsack empfehle ich unseren Kunden eher selten. Weder für den Winter noch für Hochtouren wie etwa den Kilimandscharo. Du brauchst nicht zwingend einen teuren Schlafsack für minus 20 Grad, der ansonsten die nächsten 20 Jahre im Keller liegt, weil er eigentlich fast immer viel zu warm ist. Wenn man das Geld sparen möchte oder muss, gibt es eine gute Alternative.

Also besser frösteln?
Nein, viel besser: Ich habe sowieso einen Sommerschlafsack für Temperaturen bis null Grad und einen Schlafsack für die Übergangsjahreszeiten Frühling und Herbst, der reicht bis minus fünf Grad. Im Winter stecke ich beide Schlafsäcke zusammen – mehr brauchts nicht!

Das funktioniert?
Ja, meine kälteste Nacht war bisher bei minus 33 Grad und ich habe nicht gefroren. Meine beiden Schlafsäcke wiegen zusammen circa 1500 Gramm. Ein einzelner dicker Winterschlafsack ist etwa genauso schwer. Packmass und Gewicht sind also fast gleich, aber ich kann die beiden Schlafsäcke rund ums Jahr gebrauchen. Von Frühling bis Herbst separat, im Winter kombiniert.
Geht das mit jedem Schlafsack?
Die Kombination muss passen: Mit einem Null-Grad-Modell und mit einem Minusfünf-Grad-Modell deckst du praktisch alles ab. Es ginge theoretisch auch ein Minuszehn-Grad-Modell und ein ganz leichter Sommerschlafsack. Deshalb frage ich meine Kunden immer, ob sie einen kompatiblen Schlafsack haben, und suche den passenden Zweitschlafsack aus. Mit beiden Schlafsäcken können sie dann rund ums Jahr campieren.

Welche Temperaturangabe ist entscheidend? Komfort, Limit oder Extrem?
Unterm Strich ist nur eine Angabe wirklich wichtig: der Komfortbereich. Einzig in diesem Bereich fühlst du dich wohl und bist zufrieden – und darum geht es ja. Natürlich hat jeder Mensch ein individuelles Kälteempfinden, da hilft nur Ausprobieren. Damen brauchen übrigens üblicherweise einen fünf Grad wärmeren Schlafsack als Herren.

Welche Füllung ist besser: Daune oder Kunstfaser?
Wenn ich den Schlafsack selber, also im Rucksack, tragen will, empfehle ich Daune. Kunstfaser kostet zwar deutlich weniger und ist pflegeleichter, ist aber auch doppelt so gross im Packmass und doppelt so schwer. Das funktioniert nur mit Schneemobil oder Hundeschlitten.
Auf was muss ich noch achten?
Der Schlafsack muss passen. Wenn ich einen zwei Meter langen Schlafsack habe, aber nur 1.70 Meter gross bin, dann muss ich mit meiner Körperwärme unnötige 30 Zentimeter Luft im Inneren des Schlafsacks aufwärmen. Dann verschiebt sich die Komforttemperatur von minus fünf plötzlich auf plus zwei Grad. Der Schlafsack sollte auch auf Körperbau und Schlafgewohnheiten abgestimmt sein: Ein schmal geschnittener Western Mountaineering ist zum Beispiel ideal für mich. Wer etwas athletischer ist oder unbedingt eine gewisse Bewegungsfreiheit haben möchte, braucht vielleicht eher einen breiten von Highlight. Es gibt auch spezielle Schlafsäcke für Frauen. Hier lohnt es sich auf jeden Fall, bei uns in der Filiale verschiedene Modelle Probe zu liegen.

Wie finde ich die richtige Länge?
Wenn man sich hinlegt, die Kapuze schliesst und aufsitzt, darf nichts spannen. Fünf Zentimeter Platz über dem Kopf, dann ist es ideal.

Und wenn der Schlafsack doch etwas zu gross ist?
Dann kann man überschüssiges Volumen mit Bekleidung auffüllen: Ich trage zum Einschlafen immer eine Daunenjacke. Später in der Nacht schiebe ich sie dann nach unten, die Füsse bekommen dadurch Extra-Isolation und am nächsten Morgen ist die Jacke kuschelig warm.

Kann ich mit einem Inlett auch noch ein paar Grad "Puffer" herausholen?
Ich persönlich halte nicht viel davon. Ein Seiden- oder Baumwollinlett ist aus meiner Sicht vor allem ein Hygiene-Artikel und kann ein "G’nusch" beim Schlafen geben. Viel wichtiger ist ein ultraleichter Biwaksack wie der Ultralight Bivy, der gehört bei Hochtour, Skitour oder Wintercamping in jeden Rucksack ins Notfallkit. Das ist eine geschlossene Rettungsdecke und kann einem bei einer ungeplanten Übernachtung im Schnee das Leben retten. Sollte, wie Schaufel, Sonde und LVS, immer dabei sein!
Hast du weitere Tipps zum Schlafsack?
Ja, man sollte ihn immer möglichst früh auspacken, aufschütteln und im Zelt ausbreiten. Nur voll entfaltet bringt die Daunenfüllung maximale Isolation. Am nächsten Morgen 30 bis 60 Minuten im Zelt oder in der Sonne lüften und trocknen, damit die Feuchtigkeit entweicht. Feuchte Daune verliert extrem an Volumen und kann auf Dauer nicht mehr so gut isolieren.

Zum warmen Bett fehlt noch eine gute Matratze?
Im Winter funktionieren eigentlich nur Luftmatten mit einer Dicke von mehr als sechs Zentimetern. Da geht man besser keine Kompromisse ein. Selbstaufblasende Matten sind mir persönlich zu schwer und zu gross. Die wärmsten Isomatten sind die Exped DownMat 9 mit sieben Zentimetern Dicke und Daunenfüllung oder die 6.3 Zentimeter starke Therm-a-Rest NeoAir X-Therm mit vier Lagen "Reflexionsfolie" im Inneren. Diese Folien reflektieren die Körperwärme zurück zum Menschen und die Kälte aus dem Boden zurück in den Boden – ziemlich clever, funktioniert ähnlich wie eine Rettungsdecke! Beide Matten halten zuverlässig bis minus 24 Grad warm.

Warum ist die Matte so wichtig?
Du kannst den wärmsten Schlafsack haben, aber mit einer schlechten Isomatte schlägt sofort die Kälte von unten durch. Denn die isolierenden Daunen werden ja unter dir plattgedrückt. Warmer Schlafsack und schlechte Matte funktionieren nicht, genauso umgekehrt. Es muss die richtige Kombi sein. 

Was muss man beim Kauf einer Isomatte noch beachten?
Die Exped-Matte mit Daunenfüllung auf keinen Fall mit dem Mund aufblasen, es darf keine Feuchtigkeit reinkommen. Exped hat aber mit dem Pumpsack ein super System zum Aufblasen. Zweieinhalb Füllungen und die Matte ist voll!
Die Gretchenfrage: nackt oder angezogen in den Schlafsack?
Ich gehe lieber angezogen hinein. Alles was man trägt, isoliert zusätzlich.

Also warm einpacken, auch im Schlafsack?
Genau! Ich trage beim Schlafen lange Merino-Unterwäsche von Woolpower. Dazu, wie gesagt, eine Daunenjacke zum Einschlafen, die ich später runterschiebe. Dann noch eine Mütze auf dem Kopf und ein Buff als Kragen.

Dein Trick gegen kalte Füsse?
Warme Socken! Deshalb immer ein zweites, trockenes Paar mitnehmen, weil die Socken vom Tag immer verschwitzt und feucht sind. Im Zelt trage ich Daunenfinken, ich will ja nicht mit Tourenskischuhen rumsitzen. Und beim Kochen mache ich dann Wasser heiss und fülle es in eine Thermosflasche. Vor dem Schlafen kommt das heisse Wasser in eine Trinkflasche. Ein Socken drüber, ab an die Füsse, fertig ist die kuschelige Wärmflasche! Und zum Frühstück hast du bereits lauwarmes Wasser zum Kochen und musst nicht erst frischen Schnee schmelzen.

Was passiert mit den feuchten Socken?
Die kommen mit in den Schlafsack, ganz nach unten. So sind sie am nächsten Morgen getrocknet und warm.

Was trägst du auf Wintertour?
Ich starte mit Merino – wenn es windet oder schneit, noch eine Gore-Tex-Jacke drüber, aber nicht mehr. Sobald ich stoppe, ziehe ich eine Daunenjacke über alles, dazu vielleicht noch eine kurze Primalofthose.
Sommercamping ist so einfach: Wurfzelt hochwerfen, Schlafsack auspacken, Isomatte ausrollen, fertig. Geht das auch im Winter?
Nein, auf keinen Fall, du brauchst ein Vier-Jahreszeiten-Zelt. Dieses hat ein bis zum Boden gezogenes Aussenzelt, damit kein Triebschnee ins Zelt geweht werden kann. Und es ist mit einem komplett geschlossenen Innenzelt ausgestattet und insgesamt widerstandsfähiger konstruiert als ein Sommerzelt. Ich benutze im Winter ein Red-LabelZelt von Hilleberg mit 1200er Kerlon als Aussenmaterial und Neun-Milimeter-Stangen. Das ist für mich der beste Kompromiss aus Stabilität und Gewicht.

Wie stellt man ein Zelt im Schnee auf? Da hält doch kein Hering?
Mit Schneeschuhen oder Ski trample ich eine ebene Fläche. Für die wichtigsten Abspannungen nehme ich sechs Schneeanker von SwissPiranha. Den Rest befestige ich mit Ski, Schaufel, Pickel und Stöcken. Also mit Dingen, die ich sowieso dabeihabe.

Dann ab ins Zelt und alle Schotten dicht, damit keine Wärme entweichen kann?
Den Fehler habe ich bei meiner ersten Winterübernachtung 2007 auf dem Wildspitz auch gemacht. Bei minus 16 Grad hat es nachts zu winden begonnen. Innen im Zelt war das Schwitzwasser gefroren und rieselte als Schnee auf meinen Schlafsack. Alles wurde nass! Im Winter muss man sich gut anziehen, einen warmen Schlafsack benutzen und das Zelt maximal belüften!

Besitzen Winterzelte einen anderen Grundriss als Sommerzelte?
Nein, aber ich nutze im Winter immer die GT-Ausführung von Hilleberg, mit grosser Apsis, damit ich auch im Zelt kochen kann.
Stichwort Kohlenmonoxidvergiftung: Ist es nicht gefährlich, im Zelt zu kochen?
Nicht, wenn man die richtigen Vorsichtsmassnahmen trifft: Dafür grabe ich direkt an der Kante vom Innenzelt einen 50 Zentimeter breiten und 100 Zentimeter tiefen Graben in den Schnee. Ich kann dann auf meiner Isomatte im Innenzelt sitzen, die Beine baumeln lassen und bequem vor mir kochen. Das Kohlenmonoxid (CO), das beim Kochen auf einer offenen Flamme zwangsläufig entsteht, ist schwerer als Luft und sinkt in den Graben. Das ist nicht nur sicher, sondern auch bequem und praktisch. Ausserdem kann ich mich in dem Graben stehend umkleiden, oder die Matte einrollen. Der CO-Graben ist mit ein Grund, warum ich so gerne im Winter zelte: Für mich persönlich ist es einfach viel komfortabler als im Sommer.

Wenn es kalt ist, funktionieren Gaskocher nicht richtig, oder? Bleibt nur Benzin ...
Ich persönlich bin kein Fan von Benzinvergasern. Einen Benzinkocher musst du pumpen, vorheizen, dabei gibt es eine riesige Flamme und er lässt sich schlecht regeln. Ich mache viel Fondue und mit einem Benzinkocher musst du ständig die Pfanne rauf- und runternehmen – das ist mir zu viel Stress. Es gibt spezielles Wintergas, das funktioniert problemlos bis minus 15 Grad.

Und das zündet immer?
Mit Gas hatte ich bei Kälte noch nie Probleme. Eine kleine Kartusche trage ich beim Laufen immer am Körper und beim Kochen lege ich die Kartusche mit Gasleitung einfach in den Topf mit warmem Wasser, bis der Kocher richtig brennt.

Im Winter verbrennt man sehr viele Kalorien, man sollte besser nicht hungrig ins Bett, oder?
Genau, im Winter brauche ich energiereiche Nahrung, und was gibts Besseres als fettes und proteinreiches Fondue? Ich hole die fertige Lieblings-Käsemischung bei meinem Käseladen, mache etwas Knoblauch rein und esse ein Stück Brot dazu. Oder ich esse Couscous: einmal Wasser aufkochen, aufgiessen, quellen lassen. Das ist extrem schnell gemacht. Mit der Bratpfanne noch Gemüse anbraten, Zwiebeln, Knoblauch, Käse drauf, fertig!

Ein Vorteil beim Zelten im Schnee ist, dass man kein Wasser mitschleppen muss, oder?
Genau, aber Vorsicht: Nicht den Topf auf den heissen Kocher stellen und einfach ganz viel Schnee reinstopfen. Da geht der Topf kaputt. Wenn der Schnee keinen Kontakt zum Topfboden hat, kann auch erst das Alu durchbrennen. Besser nur ein wenig Schnee einfüllen und schmelzen lassen. Erst wenn etwas warmes Wasser im Topf ist, ganz mit Schnee füllen. 
Die Tage im Winter sind kurz, da braucht es eine Lichtquelle. Wie machst du das?
Ich habe immer eine Stirnlampe dabei. Die ist praktisch, weil man die Hände frei hat. Ausserdem nehme ich als Standlicht meine Luci Lux mit, eine aufblasbare LED-Solarlampe. Dazu Powerbank und Ladegerät für Lampen, Kamera und mein Smartphone. 

Die Elektronik muss mit?
Unbedingt! Ich mache viel auf Facebook und Instagram. Abends hocke ich in meinem Zelt am CO-Graben und dann will ich das Zeug rauslassen.

Aber Akkus mögen Kälte fast noch weniger als wir Menschen!
Das stimmt, Batterien und Akkus trage ich tagsüber am Körper. Bei minus 30 Grad entladen sich alle Batterien. Den Akku vom Fotoapparat setze ich nur beim Fotografieren ein und nehme ihn danach wieder raus. Nachts kommen Elektronik und Stromversorgung mit in den Schlafsack. Das ist übrigens für alles empfehlenswert, was auf keinen Fall einfrieren darf, wie zum Beispiel Kontaktlinsen.
Wir Menschen empfinden Kälte nicht gleich. Ist Kälte trainierbar?
Je mehr man draussen ist, je öfter man bei frostigen Temperaturen aktiv ist, umso besser kommt man mit Kälte zurecht.

Kälte härtet ab?
Ganz klar! Kältereize können das Immunsystem stärken, davon bin ich überzeugt. Ich arbeite jetzt seit 13 Jahren bei Transa und war nur vier Tage krank!

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