Kocher in Perfektion

23. September 2020

Als Transa Einkäufer für Technik hat Tinu viel erlebt. Aber noch nicht «Omotenashi» – die japanische Kunst der Gastfreundschaft, die er beim Besuch der Edelkocher-Schmiede Soto erfährt. Eine Geschichte über Sorgfalt, Soba-Nudeln und japanisch-schweizerische Freundschaft.

Fotos: Stephan Glocker

Redaktor, 4-Seasons
Reist nicht nur für Kocher um die Welt
Alle Augen ruhen auf Martins (genannt Tinu) linker Hand. Er selbst blickt durch ein Mikroskop und versucht, einen Tropfen Flüssigkeit auf ein winziges Präzisions­bauteil zu applizieren. Mit viel Gefühl setzt er das Trägerstäbchen an. Der Tropfen verharrt zunächst, doch dann gleitet er sanft auf das Mikroventil und umfliesst den Dichtungsring. Langsam zieht Martin das Trägerstäbchen zurück. Erst dann holt er Luft. Auch die Beobachter in dem laborartigen Raum atmen auf. Nicken. Lächeln. Erleichterung. «Yoku yatta – gut gemach­­t», lobt Hiroshi Yamamoto, Chefingenieur bei der Shinfuji Burner Ltd. Dabei hat Martin gar keine Bombe entschärft, sondern lediglich einen Arbeitsschritt bei der Montage eines Campingkochers vollzogen.

Gut, einen Soto Windmaster als «Campingkocher» zu bezeichnen, ist ungefähr so akkurat, wie ein wunderschönes Victorinox Ranger Wood «Sackmesser» zu nennen – nicht falsch, aber eben nicht das Wesen beschreibend. Der Windmaster ist eines jener kleinen Wunderwerke, die das Leben draussen einfacher und schöner machen: 87 Gramm leicht, Packmass einer Kinderfaust, komfortable Piezozündung, dabei sturmfest und effizient wie kaum ein anderer Gas­kocher. In der Schweiz bekommt man ihn bei Transa. Das ist auch der Grund, warum Martin jetzt im japanischen Toyokawa in ein Mikroskop schaut und die Luft anhält.

Soto löst ein Gaskocher-Problem

Diese Geschichte beginnt gut zehn Jahre zuvor. Martin ist bei Transa Einkäufer für Hartware und Technik, also immer auf der Suche nach innovativen Neuheiten für das Sortiment. Auf einer Fachmesse fällt ihm eine neue Kocher-Marke auf: Soto, benannt nach dem japanischen Wort für draussen. «Die Kocher haben einen extrem guten Eindruck gemacht, super verarbeitet und voller innovativer Ideen», erinnert sich Martin. Hinter Soto steht die Shinfuji Burner Ltd., die in Japan schon seit 1978 Brenner, Kocher und Lampen für Alltag und Industrie produziert. Shinfuji-Gründer Hajime Yamamoto setzte bereits neue Standards, als er die Vorheizzeit von Benzinkochern von Minuten auf Sekunden reduzieren konnte. Mit der Marke Soto stellen sich die Kocher-Spezialisten der Outdoorszene vor – und lösen zum Einstand eines der grössten Probleme von Gaskochern: «Bei abnehmendem Druck in der Kartusche lässt die Brennleistung nach», erklärt Martin. «Wenn die Kartusche sich leert oder die Umgebungstemperatur abkühlt, wird das Kochen immer unberechenbarer. Du weisst nie, wie lange das Gas reicht. Und dann kommt Soto – und die Flamme ist konstant bis zum letzten Gramm Gas.» Der Trick: ein cleveres Druckausgleichsventil, kunstvoll in den Brennerkopf eingearbeitet. Soto nennt diese Technik «Micro Regulator».

Martin nimmt Testexemplare mit und bald Soto ins Transa Sortiment auf. Es ist der Beginn einer freundschaftlichen Partnerschaft. Auch die Japaner sind angetan: «Wir sind auf Berater angewiesen, die sich Zeit für die Kunden nehmen und unsere Kocher erklären. Das macht Transa sehr gut. Ich habe den Eindruck, dass unsere Produkte in der Schweiz besonders geschätzt werden», sagt Tomo Sekiguchi, der den internationalen Verkauf leitet.

Die Nachfrage steigt stetig

Martin trifft die Japaner weiterhin auf Fachmessen, manchmal schaut Tomo bei Transa vorbei. «Martins Vorschläge und Ideen sind schon in unsere Produkte eingeflossen», erzählt Tomo. «Eines Tages haben wir gesagt: Martin, du weisst so viel über unsere Kocher. Komm uns doch besuchen, schau die Produktion an.» Martin freut sich über die Einladung, doch Trips nach Japan sind natürlich eigentlich nicht Teil seines Jobs. In den folgenden Jahren legt Soto neue Modelle nach: den Windmaster, der die Micro-Regulato­r-Technik mit Leichtgewicht und Sturmfestigkeit kombiniert; danach den Stormbreaker, der als Multifuel-Koche­­r die Vorteile der Benzin- und Gas-Modelle vereint. In der Expeditions- und Outdoorszene erwirbt sich Soto nach und nach einen hervorragenden Ruf – auch die Nachfrage bei Transa steigt stetig.

Endlich klappt der Besuch – knapp vor Corona

Martin kümmert sich derweil um den Kundenservice, praktisch jeder in der Schweiz reklamierte Soto-Kocher landet auf seinem Tisch. «Meist ist den Kunden versehentlich Sand oder Dreck ins Kartuschengewinde geraten», sagt Martin, «Produktionsfehler gibt es kaum. Höchstens eine Piezo­zündung muss ich mal austauschen.» Regelmässig wird die Einladung erneuert: Martin, komm nach Japan! Endlich findet sich ein Termin: Anfang 2020 klappt es. (Dass man den Besuch kurze Zeit später wegen Corona hätte absagen müssen, ahnt keiner der Beteiligten.)

Wer zum ersten Mal nach Japan reist, möchte natürlich auch etwas sehen von diesem faszinierenden Reiseland. Martin überlegt, den Firmenbesuch in eine private Rundtour einzubetten. Shinfuji sitzt in Toyokawa, einer Küstenstadt auf der Hauptinsel Honshū, etwa auf halber Strecke zwischen Tokio und Osaka. Tokio oder Kyoto anschauen, oder etwas Ski fahren in den japanischen Alpen – Japan hat schliesslich 600 Skigebiete, fast doppelt so viele wie die Schweiz.
Doch Martin kennt noch nicht «Omotenashi», die Kunst der vollendeten Gastfreundschaft – die es in dieser Ausprägung und Raffinesse wohl nur in Japan gibt. Die Kunst des Gastgebers liegt im stillen Antizipieren der Bedürfnisse und Wünsche des Gastes. Und offenbar gehört dazu auch Gedankenlesen: Martin wird am Flughafen von Tomo erwartet, natürlich ist bereits eine Besichtigung der Hauptstadt vorbereitet, danach startet eine kleine, aber wohl durchdachte Rundreise – in Begleitung von Tomo und Yohei Yamamoto, einem Enkel des Firmengründers. Martin, erklärt Tomo bescheiden, würde unterwegs vielleicht auch kleine Einblicke in die japanische Kultur und Küche erhalten.

Die Reisegruppe erkundet das Skigebiet Hakuba, besichtigt die Altstadt des Alpenstädtchens Takayama und flitzt mit dem Expresszug Shinkansen für einen Tagesausflug nach Kyoto. Die Stopps in Garküchen und Restaurants erscheinen zufällig, tatsächlich fügen sie sich zu einem Panorama der Kochkunst. Nur ein Gericht gibt es zweimal, weil es Martin besonders gut schmeckt: Soba, Nudeln aus Buchweizen.

Hightech und Handarbeit

In Toyokawa wird Martin herzlich empfangen. Die Familie Yamamoto führt die Shinfuji Burner Ltd. mit 120 Angestellten, sämtliche relevanten Bauteile der Kocher werden im Haus hergestellt und montiert. Martin fasziniert besonders die Mischung aus Hightech und Handwerk: «Die Teile werden auf Hundertstel Millimeter genau gefräst und dann wieder in Handarbeit unter dem Mikros­kop zusammengefügt, was keine Maschine so schaffen könnte.»
Besonders wichtig ist bei Soto die Qualitätskontrolle: Ein Windmaster besteht aus über 30 Teilen und wird während der Montage vierfach geprüft. Weil das Prüfgas bei 28 Grad optimal arbeitet, ist die Klimaanlage in der Produktion entsprechend warm eingestellt. Für die Japaner kein Pro­blem, alles dient dem perfekten Produkt.
Vier Windmaster montiert Martin selbst. Einer wird aussortiert, weil er einen geforderten Druckwert nicht erreicht. «Würde die Flamme flackern?», fragt Martin. «Nein, das nicht», sagt der Chefingenieur. «Aber sie würde vielleicht drei Millimeter niedriger brennen, als wir das bei Soto anstreben.» Und das wäre für Hiroshi Yamamoto undenkbar.

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