Sauber klettern

4. Mai 2023

Beim «Clean Climbing» sichert man seine Routen mit mobilen Sicherungsgeräten selbst ab – und hinterlässt so keine Spuren. Die deutsche Pfalz mit den Buntsandsteinfelsen ist dafür das perfekte Trainingsgebiet, wie vier Transa Mitarbeitende beim Kurs mit der Kletterschule Höhenfieber festgestellt haben.

Fotos: Julian Rohn

Autor 4-Seasons
fasziniert von der Pfalz

Wer hier der wahre Könner ist, zeigt sich irgendwann auf eine­m sonnigen Stück Fels in etwa zehn Mete­­r Höhe über dem Boden. Beide Füsse klemmen in einem Riss, mit der linken Hand halte ich an einer kleinen Kante das Gleichgewicht, mit der rechten Hand versuche ich einen Friend zu platzieren und mich daran zu sichern. Während ich hoffe, dass mir nicht die Kraft ausgeht, flitzt eine Eidechse über den glatten Fels neben mir und verschwindet weiter oben in einer Spalte. Ich folge deutlich langsamer und weniger elegant, bis die Route schliesslich auf einem kleine­­n Turm aus rotem Buntsandstein endet, knapp über den Baumwipfeln. Ringsum ragen weitere Felsen aus dem grünen Mischwald und kleine Ortschaften verteilen sich zwischen den sanften Hügeln. Ich denke spontan: Der Pfälzerwald ist nicht nur für Eidechse­­n ein Paradies.

Sandstein mit Tradition

Das Felsklettern in der Pfalz hat nicht nur eine grosse Tradition, sondern auch seine Eigenheiten. Der Einsatz von Chalk wird erst ab Schwierigkeiten von 7+ geduldet. Haken sind hier sogenannte Ringhaken und man findet davon nur wenige. Weil aber das Gestein viel härter ist als etwa im Elbsandsteingebirge, sind in der Pfalz auch Klemmgeräte wie Friends oder Klemmkeile erlaubt. Überall wo es Risse gibt, kann man also sehr gut selber seine Zwischensicherungen legen

Genau deshalb sind wir hier: Die Verkaufsberatenden von Transa Sasa, Swinde, Dominique, Gian und ich, Julian, 4-Seasons-Redaktor. Wir wollen vom Höhenfieber-Bergführer Jörn Heller lernen, wie man Routen mit mobilen Sicherungsmitteln absichert. Diese Art des Felskletterns nennt man «Trad Climbing» oder «Clean Climbing», weil man bei einer Begehung keine Spuren hinterlässt.

Als wir an unserem ersten Tag von Basel aus in der Pfalz ankommen, müssen die richtigen Felsen erst mal vom Regen abtrocknen. Weil wir ohnehin lieber gut vorbereitet in unsere erste Clean-Climbing­-Route einsteigen wollen, üben wir zunächs­­t an einer künstlichen Mauer aus groben Steinblöcken mit perfekten Zwischenräumen. Egal ob 2er-­Camalot oder 5er-Stopper – hier finde­n wir für alle mobilen Sicherungsmög­lich­keiten den passenden Riss. Der anschliessende Belastungs­test per Fussschlinge erfolgt in moderate­­r Höhe. Bricht etwas aus, hat das keine ernste­n Konsequenzen. Wir setzen Sicherung um Sicherun­­g, traversieren in den Fussschlingen hin und her und bekommen ein erstes Gespür, was hält und was nicht.

Die Südwand des Hochsteins trocknet schliesslich am schnellsten ab und wir gewöhnen uns zunächst im Toprope an den echten Pfälzer Buntsandstein. Das eher weiche Sedimentgestein hat wirklich eine etwas sandige Oberfläche und ist einfach anders als der Gneis, Kalk oder Granit, den die meisten unserer Gruppe vom Sportklettern oder aus alpinen Mehrseillängen gewöhnt sind. Wir finden feine Einseillängen im fünften bis unteren sechsten Schwierigkeitsgrad und lernen: In der Pfalz kriegt man nichts geschenkt. Auch in den niedrigen Schwierigkeiten muss man sauber klettern. Gleichzeitig wiederholt Jörn mit uns die Grundlagen des Sicherns. So sind alle auf demselben Stand, bevor es ernst wird. Auch den Aufbau eines korrekten Standplatzes frischen wir auf – mit dem kleinen, aber wichtigen Unterschied: ganz ohne Bohrhaken. Da schaut man noch mal doppelt hin, ob der Cam auch wirklich sitzt.

 

Extra scharfes Seilende

Schliesslich wagen wir uns an die erste Mehrseillängen-Tour. In zwei Seilschaften geht es die «Graue Wand» im mittleren Teil des Hochstein-Massivs hinauf. Für die Vorsteigenden ist das scharfe Seilende jetzt extra scharf. Sie müssen die Sicherungen setzen, an denen letztlich ihre ganze Seilschaft hängt. Gut, dass die Schwierigkeiten mit 4+ weit unter unseren persönlichen Limits liegen. So haben wir ausreichend Reserven, um uns voll auf das korrekte Setzen der Zwischen­sicherungen zu konzentrieren.

Bergführer Jörn klettert mit und gibt Tipps. Etwa dass man sich schon vor dem Losklettern eine Taktik zurechtlegt: Wo kann ich gut stehen und eine Sicherung legen? Dass man die Klemmgeräte möglichst schon in der benötigten Reihenfolge an den Gurt hängt. Dass man direkt vor und nach einer schwere­­n Stelle möglichst eine Sicherung legt. Dass man die Seilreibung so gering wie möglic­­h hält, indem man konsequent die Exen verlängert – und, und, und …

Unsere Köpfe rauschen vom vielen Input, den wir jeden Tag bekommen. Gut, dass zu einem Klettertrip in die Pfalz auch unbedingt der Genuss gehört. Unser Basislager ist ein uriger Landgasthof in Hinterweidenthal mit toller, lokaler Küche. Es ist Herbst. Es gibt neuen Wein mit Zwiebelkuchen – und wer mag, wagt sich an den berühmten Pfälze­­r Saumagen mit Kastanien. Bei so einer Verpflegung kann man die Lektionen des Tages noch mal entspannt Revu­­e passieren lassen.Auch wenn wir uns weitab der grossen Berge befinden, sind wir in einer der geschichtsträchtigste­n Kletterregionen Europas unterwegs. Hier wurde das Frei­klettern kultiviert. Akteure wie Reinhard Karl und Wolfgang Güllich haben in der Pfalz ihre ersten Ausrufezeichen gesetzt, ehe sie im Frankenjura, in Pakistan oder Patagonien ihre international anerkannt­­en Leistungen ablieferten.

Nicht nur im Kletterführer stolpert man über grosse Namen, früher oder später steht man zwangsläufig vor einer legendären Route. So wie am Bruchweiler Geierstein. Wie fast überall in der Pfalz ist der Zustieg vom Parkplatz nur kurz. Wir nähern uns dem Massiv von seiner spektakulären Seite. Wie ein grosser Schiffsbug taucht die Stirnseite der Felsmauer zwischen den Bäumen auf. Wir blicken direkt auf die «Superlative», die 1978 von Wolfgang Güllich und seinem Seilpartner Thomas Nöltner erstbestiegen wurde.

Die glatte «Acht» galt damals als schwerste freie Kletterei Westdeutschlands und verursachte Streit: Güllich und Nöltner hatten die Route mit Seilsicherung von oben ausgecheckt und sogar Ringhaken eingebohrt. Das entsprach nicht der örtlichen Kletterethik, die damals nur eine Erschliessung von unten zuliess. Es entwickelte sich ein Hin und Her, das als Teil des «Pfälzer Hakenstreits» die Szene aufrüttelte. Nicht nur die Haken wurden mehrfach abgeschlagen und wieder ersetzt. Als bizarrer Höhepunkt wurde die Route mit Altöl beschmutzt, um sie zu zerstören.

Den Ölfilm kann man noch immer erkennen, trotzdem ist diese legendäre Route wieder kletterbar – nur nicht ganz unsere Liga. Wir finden aber direkt daneben, an der Südwand des Geiersteins, unsere eigene Herausforderung und trauen uns nach dem Training der vergangenen Tage auch die Kletterschwierigkeiten zu erhöhen. Die Verschneidung «Schnapsweg» (6­-) zählt zu den besten Routen in diesem Schwierigkeitsgrad in der Pfalz und wir steigen sie alle an selbst gelegten Sicherungen vor.

Ein paar Meter hinter unserer Unterkunft ragt übrigens der sogenannte Teufelstisch aus dem Eichenwald. Wie ein riesiges Schwämmli liegt eine massive Felsplatte auf einem verhältnis­mässig dünnen Stiel. Die 284 Tonnen schwere Platte schützt den Stiel vor weiterer Erosion. Drei spektakuläre Routen führen durch das Dach hinauf auf den Tisch, die leichteste ist eine 6+. Aber es gibt kaum Haken und noch weniger Risse für mobile Sicherungen – wer an der falschen Stelle fällt, riskiert auch mit Seilsicherung einen Sturz bis zum Boden. Wir verzichten – man muss ja auch noch Ziele für ein nächstes Mal haben.

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