Sicherheit & Berg

14. November 2021

Angelina ist Bergführerin und arbeitet in der Filiale Luzern. Hier umreisst sie sechs wichtige Punkte rund um das Thema «Sicherheit am Berg im Winter» und verrät, was sie immer in ihrem Tourenrucksack dabeihat.

Fotos: Jonas Näf, Sasa Löpfe

Verkaufsberaterin, Filiale Luzern
Teilt Rucksack-Inhalt und Wissen

Lawinenkunde

Immer wieder merke ich, dass Kunden und Gäste gleichermassen in Sachen Lawinensicherheit die grössten Unsicherheiten haben. Kein Wunder, dies ist sicherlich der unberechenbarste Faktor, wenn man im Winter in den Bergen unterwegs ist. Wo der Profi es schafft, Risiko und Niveau aneinander anzupassen, ist der Laie oftmals etwas verloren. Einige Aspekte kann man kontrollieren: Du kannst die richtige Ausrüstung mitnehmen (Schaufel, Sonde, LVS) und den Einsatz damit sicher beherrschen. Zudem kannst du das Lawinen­bulletin, Karten und Webcams vorab studieren. Danach gilt es, das Gelände und sich selbst einzuschätzen, beides ist nicht so einfach, wie man sich das vorstellt: Oft ist die Selbsteinschätzung anspruchsvoller als die Geländeeinschätzung. Alarmzeichen im Gelände sind beispielsweise Risse, Wumm-Geräusche, spontane Lawinen, starker Wind und schlechte Sicht. Grundlagenwissen kannst du dir beispielsweise an unseren Lawineninfoabenden aneignen.

Wetterkunde

Beim Wetterbericht sollte man nicht nur die Bildli anschauen, sondern den Text dazu lesen und die grösseren Zusammenhänge beachten. Hört sich simpel an? Ja, aber meiner Erfahrung nach gibt es online für jede Wunschvorstellung den passenden Wetterbericht. Da lohnt es sich, verlässliche Quellen gewissenhaft zu konsultieren und sich selbst dann nicht blind auf die Vorhersage zu verlassen. Es gibt schliesslich besser einschätzbare Wettersituationen (z. B. Kaltfronten), es gibt aber auch instabilere (z. B. flache Druckverhältnisse), die mehr Vorsicht verlangen. Dazu kommt, dass beim Wetter ein berechenbares Wagnis nicht immer falsch sein muss, da viele Täler und Regionen in der Schweiz ein eigenes Mikroklima aufweisen. Oft tendieren wir dazu, an unseren Plänen festhalten zu wollen – in den Bergen sollte man aber flexibel bleiben.

Reparaturen

Oft werde ich gefragt, was ich einpacke, um in den unterschiedlichsten Situationen gewappnet zu sein. Meine Antwort: mein MacGyver-Set. Das besteht aus einer kleinen Reepschnur, Kabelbinder, Gaffer-Tape, Schraube und Mutter, Fellwachs, Skiwachs, Colltex-Tape, einem Stück Draht, einem kleinen Schraubenzieher mit Bit-Aufsätzen, einem Multitool, Riemli und einem Rundhölzli (siehe Titelbild). Mit diesen Kleinigkeiten kannst du viele Probleme am Berg provisorisch lösen. So musste ich mal in Kanada auf einer Tour den Skischuh-Schaft behelfsmässig reparieren, da waren Schraube und Mutter Gold wert. Die Bindung könnte Probleme machen (Multitool), die Felle könnten nicht mehr kleben (Colltex-Tapes) oder die Skistöcke könnten brechen (das Rundhölzli und das Gaffer-Tape können eine Schiene bilden).

Beachte: Schraube nur in absoluten Notfällen an deinem Material herum, sicherer ist immer der Gang zum Profi-Service. Das Reparaturset kommt bei mir nur zum Einsatz, wenn es sein muss.

Rettungsschlitten

Falls es doch mal zum Ernstfall kommt und man muss jemanden den Berg hinuntertransportieren, gibt es die Möglichkeit, behelfsmässig einen Rettungsschlitten zu bauen. Die einfachste Variante besteht aus einem kleinen, aber robusten Biwaksack, den du an allen vier Ecken von innen mit einer Handvoll Schnee ausstopfst. Diese Zipfel bindest du dann mit Schnüren oder Riemen aus dem Reparaturset ab, so dass man sie gut greifen kann. Den Biwaksack kannst du dann noch mit Jacken oder Rucksackpolstern ausstaffieren, damit der Transport etwas bequemer wird. So lässt sich eine Person im Notfall über weichen Schnee den Berg runterziehen. Im Internet findest du zusätzlich Anleitungen, wie du aus Ski, Schaufel, Fellen und einigen weiteren Gegenständen einen komplexeren Schlitten für längere Distanzen bauen kannst.

Spaltenrettung

Die Spaltenrettung ist so ein Thema: Die Gemüter gehen diesbezüglich ein wenig auseinander. Der Schweizer Flaschenzug ist die Lehrbuch-Variante. Diese ist aus meiner Sicht aber nicht die einfachste und in Anbetracht der Komplexität wird diese oft nicht regelmässig genug geübt. Stürze und Unfälle nehmen aber auf mangelnde Routine, Schock und Adrenalin keine Rücksicht. Deshalb finde ich den alternativen, einfachen Flaschenzug mit Petzl Nano Traxion, Umlenkrolle und Prusikknoten wertvoll. Dass dies eine Variante ist, die unter Druck besser klappt, wurde mir nicht zuletzt als Teil des Canyoning-Rettungsteams bewusst. Dank den Rollen hat man nahezu keinen Reibungsverlust (Wirkungsgrad 1 zu 2,85) und somit ein ähnliches Resultat wie beim Schweizer Flaschenzug ohne Rollen (Wirkungsgrad ca. 1 zu 2,7). Aber das Üben ersetzt auch diese Rettungsvariante nicht...

Mein Tipp: Trommle deine Berg-Gspönli zusammen und buche einen Bergführer für einen Tag. So kannst du die Spaltenrettun­­g mit Menschen üben, deren Niveau du kennst und mit denen du gewohnt bist, in die Berge zu gehen.

Apotheke

Einerseits ist es wichtig, die richtigen Utensilien dabeizuhaben. Andererseits ist es aber auch hilfreich, bewusst zu planen, wo du was optimalerweise im Rucksack verstaust. Ich beispielsweise habe immer einen wasserdichten Beutel mit Pflastern, Blasenpflaster und Batterien im Deckel meines Rucksacks. So sind die kleinen Helferlein immer griffbereit.

In der grossen Apotheke führe ich einen Sam Splint als Universalschiene mit (sonst musst du dich aus deinem Mac­Gyver-Set bedienen), die sich gut im Rückenteil des ­Rucksacks verstauen lässt. Dann dürfen Essentials wie Sackmesser mit Schere, Verbandsmaterial, Steri-Strips, Desinfektionsmittel, Gummihandschuhe und Rettungsdecke oder Biwaksack nicht fehlen. Bezüglich Medikamenten lässt du dich am besten von einem Arzt beraten, aber ein starkes Schmerzmittel ist ein Muss.

Meine Empfehlung: Ergänze deine Notfallapotheke mit Arnika-Kügelchen (als Notfallmedikament im Falle einer stumpfen Verletzung), einigen Tampons (für den blutstillenden Druckverband) und einer Rolle Tape.

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