Vom Büro zur Kulturstätte

30. Juni 2022

Wie wollen wir künftig arbeiten? Wie umgehen mit Digitalisierung und einer zunehmend komplexeren Welt? Diesen Fragen hat sich Transa beim Umbau der Büroräumlichkeiten in Zürich gestellt. Das Projekt hat Pioniercharakter: Rund 80 Prozent der Bauteile sind wiederverwendet. CEO Dani Humbel, Architekt Pascal Angehrn und Elektrotechniker Jan Schibli gewähren Einblicke.

Fotos: in situ

Redaktor, 4-Seasons
& Philip Baues
Dani, wieso war ein Umbau der Transa Administration nötig?
Dani: Der Platzmangel wurde zunehmend zu einem Problem und die Räumlichkeiten waren schlicht nicht mehr zeitgemäss. In der aktuellen Ausgabe des «brand eins»-Magazins (Heft 04/22) schreibt der Professor für Management, Innovation und Finanzierung Stephan A. Jansen: «Ein Unternehmen ist eben keine digitale Transaktions- und Führungskette von Zoom-Bildschirmen und Zauber-Blockchains, sondern eine soziale Plastik.» Das bringt es perfekt auf den Punkt. Wir erleben einen rasanten sozialen Wandel, aus dem sich unzählige fundamentale Fragen ableiten. Der Umbau ist ein Versuch, diesen zu begegnen.

Welche Impulse wolltet ihr setzen?
D: Wir wollten einen Ort schaffen, der Begegnung und Austausch fördert. Das Fundament der Transa ist die Gemeinschaft und die Dynamik der Mitarbeitenden. Unsere Kultur ist geprägt von zwischenmenschlicher Nähe. Durch Corona und die Verlagerung der Arbeit ins Home Office wurden viele Verbindungen dieser organischen Struktur gekappt. Uns stellte sich die Frage, wie wir in Zukunft arbeiten wollen: Welche Aufgaben können wo sinnvoll erledigt werden? Wie gehen wir mit der fortschreitenden Digitalisierung und Vernetzung um? Wo brauchen wir Kommunikation und Kooperation, wo Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten? Unser Ziel war kein «Entweder-oder», sondern eine austarierte Symbiose beider Welten.
   
vlnr. Dani Humbel, CEO Transa
Jan Schibli, Inhaber Schibli-Gruppe
Pascal Angehrn, Baubüro in situ
Wie kann das gelingen?
D: Vertrauen und Bindung können nur aus der persönlichen Begegnung erwachsen. Dem müssen wir mit modernen Arbeitsorten und einem neuen Führungsverständnis gerecht werden. Die durchlässige Architektur führt Kontakte und Interaktion herbei. In einer immer komplexeren und globalisierteren Welt sind wir angewiesen auf die Kreativität der Mitarbeitenden, die in diesem herausfordernden Umfeld Lösungen finden wollen und können. Unternehmen werden sich künftig aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen immer mehr zu Kulturstätten transformieren. Das Wesen und der Puls der Organisation werden zunehmend an Relevanz gewinnen. Niemand möchte schliesslich für ein gesichtsloses Geschäft arbeiten. Deshalb braucht es charaktervolle Räume, in denen man sich trifft. Das ist eine Kernhaltung, an die wir bei Transa glauben: die Begegnung.
Pascal: In unserer digitalen Welt ist alles immer perfekt. Zirkuläres Bauen steht in Opposition dazu. Es führt zu einer sehr direkten und organischen Architektur – ziemlich rough, Details sind sichtbar, alles hat eine Geschichte. Die Elemente sind physisch fassbar. Die Verbindung aus Alt und Neu generiert Identifikationspotenzial, weil die Mitarbeitenden sich für die Herkunft der Bauteile interessieren und sie idealerweise weitererzählen.

Was genau ist «zirkuläres Bauen»?
P: Die Baubranche verursacht in der Schweiz circa 90 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr.  Wir leben, als hätten wir dreieinhalb Planeten zur Verfügung. Beim konventionellen Bauen ist es üblich, einfach alle Bauteile aus dem Katalog neu zu bestellen. Alles Alte wird entsorgt. Beim zirkulären Bauen dagegen werden die vorhandenen Bauteile wiederverwertet und umgenutzt. Als Beispiel: Was vorher Decke war, wird zerschnitten und zu Trennwänden aufgeschichtet. Zusätzlich gehen wir auf die Jagd nach Bauteilen von extern, akquirieren beispielsweise alte Schultafeln, Fenster und Schreinerplatten aus verschiedenen Fundorten. Wir prüfen das Potenzial hinsichtlich der Wiederverwendung und führen diese Elemente einer neuen Nutzung zu. Dieses Konzept haben wir zusammen mit Transa radikal verfolgt und eine Re-use-Quote von circa 80 Prozent erreicht und dadurch knapp 50 Tonnen CO2 eingespart. Ein Grossteil der Bauteile stammt aus dem ursprünglichen Bestand von Transa, musste also nicht weit transportiert werden.

Der radikale Verzicht auf Neuteile klingt nach einer Limitierung …
P: Das trifft im Kontext eines konventionellen Bauprozesses zu. Wir dagegen betrachten den Bestand als eine Art Schatzkarte und als einen Wert, der sich erhalten und transformieren lässt. Klar müssen wir umdenken und neue Perspek-tiven einnehmen, dafür steht am Ende eines Bauprojektes bei uns eine konkrete CO2-Einsparung, die einem höheren Ziel dient. Im besten Fall erreichen wir sogar noch eine Sensibilisierung anderer Architektinnen und Bauträger, um diese Arbeitsweise zu etablieren.
01 | 232 m
Schiene für LED-Leuchten
Aus den alten Transa Büros.
CO2 -Einsparung*: 890 kg

02 | 1 Brandschutztür
Abrissobjekt aus Winterthur. 
CO2 -Einsparung *: 659kg

03 | Verzicht Bodenbelag
Bodenfläche geölt statt Kugelgarn. 
CO2 -Einsparung *: 9,2 Tonnen

 

04 | 55 Stück
Holz-Fenster
Aus einer Wohnsiedlung in Zwischenbächen bei Zürich. CO2 -Einsparung*: 7,9 Tonnen

05 | 5 m2
Transa Werbeplakate
Fundus aus Transa Lager.
CO2 -Einsparung*: 200 kg

06 | 35 Stück
Pendelleuchten
Glaseinsätze aus Brüssel und Metallringe zur Verbindung aus Winterthur. CO2 -Einsparung*: 49 kg

07 | 123 m2
Holzpanele
Zersägt und zu einer Wand gestapelt aus Pfaffechappe, Baden. 
CO2 -Einsparung*: 1 Tonne

 

Dani, warum habt ihr euch für zirkuläres Bauen entschieden?
D: Wir wollen nicht nur von Nachhaltigkeit reden, sondern auch einen eigenen Beitrag leisten. Als ich Pascal kennenlernte, war ich sofort begeistert von seinem Konzept. Die Idee, recycelten Materialien neues Leben einzuhauchen, ist ganz im Sinne unseres Strebens nach einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Nicht zuletzt haben auch menschliche Faktoren eine grosse Rolle gespielt: Es gab schnell ein grosses Vertrauen zwischen allen Beteiligten und es wurde klar, dass wir die gleiche Vision teilen.

Was müssen Bauherren für ein solches Projekt mitbringen?
P: Das zirkuläre Bauen fordert alle Projektbeteiligten heraus, weil es sehr prozesshaft ist: Bauen ist per se mühsam und aufwendig. Mit unbekannten Bauteilen kommt noch eine schwierige Komponente dazu. Als Bauherr musst du bereit sein, dich mit uns auf eine Reise zu begeben, du musst Flexibilität an den Tag legen, Unsicherheit aushalten und es braucht Vertrauen zwischen den Beteiligten. Wir brauchen mutige Bauherren wie Transa, die ein Zeichen setzen und einen neuen Massstab definieren wollen. Und dann braucht es natürlich auch noch die beteiligten Gewerke, wie Schibli, die offen und bereit sein müssen, sich darauf einzulassen. Nur so können wir Nachfolgeprojekte generieren und hoffentlich eine neue Architektur definieren, die ihrer Verantwortung im Kontext der Nachhaltigkeit gerecht wird.
D: Ich betrachte den Re-use-Ansatz und den damit verbundenen Prozess, den Pascal gerade skizziert hat, als eine fundamentale Aufgabe in einem Transformationsprozess, dem wir uns als Gesellschaft stellen müssen. Darüber hinaus durften wir aber natürlich auch die Funktionalität nicht aus den Augen verlieren: In einem Büro gibt es Dinge, die schlichtweg funktionieren müssen. Pascal und ich waren im ständigen Austausch, als Bauherr waren wir viel stärker involviert, als wenn wir einfach ein konventionelles Architekturbüro engagiert hätten.
08 | 35 m2
Heraklithplatten
Ursprung: Jesuiten Schule Zürich. Umnutzung für bessere Akustik.
CO2  -Einsparung*: 283 kg

09 | 135 m2
Wandtafeln
Aus Pfaffechappe, Baden.
CO2 -Einsparung*: 3,88 Tonnen


10 | 85 m2
Siebdruckplatten
Ursprung: Riedtwil. Umnutzung für
den Bau von Küchenmöbeln.
CO2 -Einsparung*: 1,47 Tonnen

11 | Elektrik
EDV-Kabel/Lichtschalter
Rund 90 % der Lichtschalter und
ein Grossteil der EDV-Kabel aus
den alten Transa Büros.

 

Jan, was war eure Rolle beim Umbau?
Jan: Wir arbeiten mit unserer Tochter, der Entec AG, schon seit einigen Jahren im Bereich IT für Transa. Durch diesen Kontakt bekamen wir die Anfrage für die elektrotechnische Planung und anschliessende Ausführung – zum zirkulären Bauen hatten wir bisher allerdings noch keine Berührungspunkte. Aber auch wir sind immer auf der Suche nach neuen, nachhaltigeren Lösungen für die Elektrotechnik. Als Dani auf mich zukam, war ich sofort fasziniert. Wir ticken ähnlich, sind beide offen für neue Technologien und bereit, neue Wege zu gehen. Pascals Begeisterung und Leidenschaft für das Thema hat uns ebenfalls sofort angesteckt.

Wie seid ihr das Projekt angegangen?
J: Am Anfang mussten wir erst mal herausfinden, welche vorhandenen Materialien wir überhaupt effektiv wieder einsetzen dürfen. Da gibt es aufgrund von Vorschriften und Normen schon Einschränkungen: Leuchtmittel müssen heute halogenfrei sein und ein Kabel muss Brandschutzvorgaben erfüllen. Am Ende konnten wir aber einiges direkt vor Ort wiederverbauen und sogar einige Beleuchtungskörper von anderen Baustellen organisieren.

Der Umbau war auch ein Stück weit ein Experiment. Ist es geglückt?
P: Das Resultat ist ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einem Planeten, wie wir ihn unseren Enkelkindern hinterlassen sollten. Der Prozess war intensiv und lehrreich. Ich fände es toll, wenn die Mitarbeitenden die neuen Räume mit Leben füllen – was ja aktuell schon geschieht – und das Ganze vielleicht sogar mit in ihren Alltag nehmen. Ob das Projekt diese Strahlkraft hat, wird sich zeigen.
J: Ich bin immer bereit, mit der Schibli-Gruppe Neues auszuprobieren, wenn ich das Gefühl habe, ich investiere Zeit und Geld in eine Sache, die für mich und auch unsere Branche Sinn macht. Wir haben bei dem Projekt viel dazugelernt und wir haben tolle Menschen kennengelernt, die wie wir anders denken. Die nicht nur reden, sondern nach alternativen Lösungen suchen und auch bereit sind, dafür eine Extrameile zu gehen.
D: Ich finde, der Umbau spiegelt unsere Werte und unsere Haltung wider – aber er ist eben nur ein erster Schritt. Es bleiben fundamentale Fragen, auf die wir Antworten finden müssen: Ist nicht eigentlich vor allem die Zeit, die wir miteinander verbringen, wirklich relevant? Wie wollen wir künftig miteinander umgehen? Was können und was müssen wir als Unternehmen unseren Mitarbeitenden bieten?

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